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Das Märchen von Ryo-Yoku-Do

Vor langer Zeit lebten in Japan zwei Bauernfamilien. Die eine Familie war damit beschäftigt Reis anzubauen, während die Nachbarsfamilie Tee anbaute. 

 

So wie es damals üblich war, züchteten beide Familien auch Seidenraupen und verkauften ihre Produkte an die Händler, die aus der Stadt kamen. Beide Familien waren reich mit Kinderglück gesegnet – sieben/acht/neun Jahre lang kam fast jeden Frühling ein Kind zur Welt.

Die Kinder spielten miteinander und manchmal stritten sie, um sich danach zu versöhnen und das Spiel ging weiter – so wie es bei allen Kindern üblich ist. Oft halfen sich die Familien gegenseitig – bei Sturm und Regen oder wenn die Kinder krank waren. Wohlhabend waren beide Familien nicht und in harten Zeiten war mehr Reisdampf zu riechen, als es Reiskörner zu Essen gab.

Trotz all dieser Schwierigkeiten waren die Kinder glücklich. Sie tanzten und lachten miteinander und spielten von früh bis spät. Wenn sie den Eltern auf den Feldern helfen mussten, hatten sie weniger Zeit fürs Miteinander. Umso mehr freuten sich die Kinder, wenn sie dann wieder am Ufer des kleinen Baches ihre winzigen Bambus-Schiffchen bauen konnten und in den dicken Bambushainen Verstecken spielten. Sie entdeckten immer wieder etwas Neues; manchmal einen schillernden, kampflustigen Käfer, manchmal eine wunderschöne, zierliche Blume. Und wenn sie einmal wieder so viel Hunger hatten, dass der Bauch laut brummte und sogar ein Bär im benachbarten Wald es hören konnte – da sangen sie Lieder, um das Grummeln zu übertönen. Sie trösteten sich gegenseitig und sangen und sangen, bis der Bauch nicht mehr so stark brummte.

Als die Kinder heranwuchsen und immer größer wurden, kamen auch deren Charaktere und Vorlieben immer mehr zum Vorschein. Einer war ruhiger, der andere lustig und gesellig, eine war kräftig und die andere zart, verträumt und mit den Gedanken in den Wolken.

Takeru, man nannte ihn auch den Reisjungen, war sehr groß und kräftig. Er war aber auch sehr sanftmütig und wollte keinem Menschen etwas zu Leide tun. Sein Vater tadelte ihn oft wegen seiner Ungeschicklichkeit, Größe und Langsamkeit; er nannte ihn Tollpatsch-tono. Oft sagte er auch zur ihm: “Du isst für drei, also müsstest du auch so viel wie drei andere arbeiten – aber das schaffst du nicht, weil alles, was du angreifst kaputt geht.“ Takeru war deshalb oft traurig und suchte Trost bei einem Mädchen aus der Tee-Familie.

Das Mädchen hieß Aiko und sie war zart und leicht wie eine Feder. Wenn sie über Gras ging, ah es so aus, als hätte sie keinen einzigen Halm zerdrückt. Es schien beinahe so, als ob sie fast schwerelos über der Erde schwebte. Sie tanzte mit Schmetterlingen und sang mit den Vögeln. Die Blumen, die Waldwesen - alle waren ihre Freunde.

Sie mochte Takeru sehr, bewunderte ihn für seine Stärke und seine Sanftmut.  Oft bat sie ihn, sie so hochzuheben, wie er konnte.  Gemeinsam bastelten sie Bambusschiffchen und ließen sie in das Wasser des kleinen Baches gleiten. Sie ließen die Schiffchen los und das Wasser nahm die kleinen Kunstwerke auf eine lange Reise mit. Die Kinder rätselten oft, wo das Wasser wohl die Schiffchen hinbringen würde. Vielleicht zum großen Ozean oder ganz an das Ende der Welt? Bei jedem Wetter hatten sie sich Geschichten überlegt, spannend und ein bisschen gruselig, schön und voller toller Abenteuer.

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